SITIC Topic Forum, Donnerstag, 2. November 2023, 13:30 – 18:00

Spannungsfeld Agilität und Architektonische Koordination

Don’t Do Agile, Be Agile

Hintergrund

Agilität ist seit Jahren ein mitunter salopp verwendeter Begriff und weist mit seinen zahlreichen Aspekten einiges Potential für divergierende Verständnisse, Erwartungen und Anforderungen auf.

Einige der Aspekte sind in Bild 1 dargestellt.

Bild 1: Aspekte von agilen Teams und Projekten

Davon lassen sich zwei Schlüsselfragen ableiten.

Welche Aspekte sind relevant, um

  • agile Methoden von traditionellen Methoden zu unterscheiden,
  • damit die Organisation mit nachvollziehbaren Argumenten (und KPIs) zu überzeugen, sich mit agilen Teams in volatilen Ökosystemen zu behaupten?

Diese Schlüsselfragen motivieren Zielsetzung und Leitfragen dieses Topic Forums.

Zielsetzung

Die Zielsetzung dieses Topic Forums besteht darin, sich anhand der folgenden Leitfragen zu aktualisieren und neue Erkenntnisse zu gewinnen:

  • Wie ist der Stand der Umsetzung agiler Organisationsformen in den Unternehmen?
  • Werden die angestrebten Ziele erreicht (z.B. Geschwindigkeit, Kundenorientierung, Kontinuierliche Verbesserung, Anpassungsfähigkeit, Transparenz und Sichtbarkeit, Produktqualität, Selbstorganisation und Eigenverantwortung, Arbeitszufriedenheit, Business Value)?
  • Welche Faktoren beeinflussen die Effektivität von agilen Teams, d.h. was ist wichtig für die Zielerreichung?
  • Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich bei der Führung von agilen Teams?
  • Wie können agile Teams ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit aufrechterhalten?
  • Wie (erfolgreich) werden teamübergreifende Themen adressiert (z.B. Infrastruktur, Architektur)?
  • Welche Anpassungen im Setup Agiler Teams wurden über die Zeit vorgenommen?

Gastgeberin

Die Mobiliar
Hauptsitz, Bundesgasse 35, 3011 Bern

Teilnehmende

Willkommen sind Business IT Professionals, welche in ihrer Organisation effiziente und effektive (Digitalisierungs-)Projekte mitverantworten.

Vorbereitung

Von den Teilnehmenden wird erwartet, dass sie anhand der Aspekte in Bild 1

  • das eigene Verständnis von Agilität profilieren,
  • in der eigenen Organisation die Erwartungen an agile Teams mit H(och), M(ittel) oder T(ief) priorisieren.

Moderation

Agenda

13:00 – 13:30
Willkommens-Kaffee

13:30 – 13:40
Begrüssung und Eröffnung durch Kurt Wehrli und Stephan Aier, SITIC, und Pascal Auderset, Die Mobiliar

13:40 – 14:25
Beobachtungen: Wie die Realität der Autonomie Rahmen setzt
Rainer Grau
smartsystemguild gmbh

Autonomie ist ein angestrebter Zustand eines agilen Teams. Autonomie fördert Sinnhaftigkeit, Übernahme von Verantwortung und schnelle Entscheidungen. Dies sind Eigenschaften, welche Wertgenerierung, Qualität, Kundenzentrierung und Geschwindigkeit gegenüber dem Markt steigern.

Autonomie wird leider oft mit völliger Freiheit des Handelns verwechselt.

Realität ist, dass jedem Team Rahmenbedingungen gesetzt sind, die nur teilweise oder gar nicht verhandelbar sind. Dieser Rahmen, innerhalb dessen Autonomie gegeben ist, variiert stark in Abhängigkeit von Inhalt der Tätigkeit, Grösse der Organisation und deren Einbettung im Ökosystem. Diese Rahmen um Teams zu identifizieren, zu definieren, transparent darzustellen, zu erklären und mit den Team-Mitgliedern zu verhandeln fördert das Verständnis von Autonomie und die Leistungsfähigkeit der Gesamtorganisation. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit Variationen von Autonomie und dem Entdecken und Verhandeln des Rahmens.

Kurzbio: Rainer Grau ist Komplexdenker und Partner bei Smart System Guild. Seine Motivation ist es Organisationen und Menschen zu befähigen in unserer komplexen und schnell drehenden Welt kundenorientierte Produkte und Services zu bauen. Dazu greift er auf Erfahrungen zurück aus den Bereichen Enterprise Agilität, Lean Startup, Servant Leadership, Business & System Architecture und Product Development Flow – Unabhängig ob diese «Werkzeuge» hipp und modern oder klassisch bewährt sind. Neben seinen beruflichen Engagements unterrichtet Rainer an Fachhochschulen in der Weiterbildung und ist in verschiedenen Communities engagiert.

14:30 – 15:15
Steigerung Business Agilität mit Value Proposition Teams
Ferdinand Wohlfahrt, Leiter Agile Methodik & LACE
Die Mobiliar

In dem Beitrag geht es um die Frage, ob Value Proposition Teams (VPTs) die Antwort auf die Herausforderungen zur Erreichung von Business Agilität in Versicherungsunternehmen sind. Ich werde auf den «Need for Change» bei uns in Mobiliar eingehen und darauf, wie wir die ersten produktbezogenen VPTs lanciert haben, um die schnellere Anpassung und kürzere «Time to Market» für die entwickelten Versicherungsprodukte zu erreichen. Ausserdem werden wir die notwendigen Rahmenbedingungen betrachten, um die Teams erfolgreich zu machen, wie z.B. «Autonomie Teams» und schnelles Feedback. Zudem werde ich mit den Teilnehmenden unsere ersten Erfahrungen aus der Umsetzung teilen.

15:15 – 15:45
Pause

15:45 – 16:30
Situative Agilität – Was tun, wenn unsere Muster an Grenzen stossen?
Bernhard Rytz
Schweizerische Bundesbahnen

Es geht darum, dass wir bei den SBB im SAFe Rollout (aus Transformationsüberlegungen vielleicht zu recht), «alte» und «neue» Welt einander ziemlich polarisierend gegenüber gestellt haben. Unterdessen arbeiten wir in der IT überall nach SAFe (wie real die Benefits sind und wie nahe wir an der «Essenz» ist ein eigenes Thema).

Wir beobachten, dass viele (eine Mehrheit) der Situationen sich gut (genug) entwickeln, aber einige Teams oder Themenfelder mit Agilität Mühe bekunden. Nach einigem Zögern haben wir in solchen Fällen teilweise wieder «klassischere Interventionen» (Architektur, Requirements Engineering, Planung, Führung) gemacht. Das versuchen wir zu Zeit «situativ» anzugehen, ohne daraus einfache, allgemeingültige Regeln zu machen.

Im Beitrag geht es darum, einige dieser Situationen zu erläutern und zu diskutieren, ob solche «Interventionen» kurz- oder langfristig eher schaden oder nützen.

16:30 – 16:50
Spontanbeiträge und Voten von Teilnehmenden
Plenumsdiskussion

16:50 – 17:05
Agilität und Architektonische Koordination – Dos and Don’ts
Kurt Wehrli
SITIC

Der Beitrag erörtert kurz und prägnant die wichtigsten Massnahmen, um Agilität mit Architektur zu steigern.

17:05
Abschluss und Apéro

Nachlese

Ansichten und Beurteilungen der Teilnehmenden werden in einer Nachlese anhand der Aspekte in Bild 1 zusammengefasst.

Anmeldung

Verbindliche Anmeldung bitte via Email an kurt.wehrli@sitic.org

Kosten

Für SITIC-Mitglieder ist die Teilnahme im Rahmen der Jahresmitgliedschaft unentgeltlich.
Nicht-Mitgliedern werden 375 CHF in Rechnung gestellt.

Mögliche Ziele Agiler Teams

1. Schnelle Lieferung von Wert: Agile Teams streben danach, kontinuierlich hochwertige Produkte, Dienstleistungen oder Funktionen in kurzen Iterationen oder Sprints bereitzustellen. Das Hauptziel ist es, schnell Wert für Kunden und Stakeholder zu liefern.

2. Kundenorientierung: Agile Teams legen großen Wert darauf, die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Kunden zu verstehen und Produkte oder Dienstleistungen entsprechend anzupassen. Die kontinuierliche Kundenrückmeldung ist ein zentrales Element der agilen Arbeitsweise.

3. Kontinuierliche Verbesserung: Agile Teams setzen sich das Ziel, ihre Prozesse und Arbeitsmethoden ständig zu verbessern. Sie führen regelmäßige Retrospektiven durch, um herauszufinden, was gut funktioniert hat und was verbessert werden kann.

4. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Agile Teams sind darauf ausgerichtet, sich schnell an sich ändernde Anforderungen und Umgebungen anzupassen. Sie passen ihre Pläne und Prioritäten in Echtzeit an, um den aktuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.

5. Teamkollaboration: Agile Teams fördern die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Teammitgliedern sowie mit anderen Teams. Das Ziel ist es, ein gemeinsames Verständnis für Ziele und Aufgaben zu entwickeln.

6. Transparenz und Sichtbarkeit: Agile Teams streben nach Transparenz in Bezug auf den Fortschritt, Hindernisse und Risiken. Dies ermöglicht es allen Beteiligten, den Status und die Herausforderungen besser zu verstehen.

7. Hohe Produktqualität: Die Qualität der gelieferten Produkte oder Dienstleistungen hat oberste Priorität für agile Teams. Sie arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung der Produktqualität und vermeiden technische Schulden.

8. Selbstorganisation und Eigenverant-wortung: Agile Teams setzen sich das Ziel, autonom zu sein und selbst Entscheidungen zu treffen. Jedes Teammitglied trägt Verantwortung für den Erfolg des Teams und die Erfüllung der Ziele.

9. Arbeitszufriedenheit: Agile Teams streben danach, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich die Teammitglieder wohl fühlen und motiviert sind. Die Zufriedenheit der Teammitglieder trägt zur Produktivität und Qualität bei.

10. Business Value Maximierung: Agile Teams arbeiten daran, den Geschäftswert ihrer Arbeit zu maximieren. Sie priorisieren Aufgaben und Funktionen nach ihrem Beitrag zum Unternehmenserfolg.

Das AGIL-Schema aus den 1950er Jahren

Das AGIL-Schema ist ein systemtheoretisches Modell, das in den 1950er Jahren von dem amerikanischen Soziologen Talcott Parsons entwickelt wurde. Es beschreibt systematisch die Grundfunktionen, die ein jedes System zur Selbsterhaltung erfüllen muss. Zunächst als Grundlage einer Handlungstheorie entworfen, übertrug Parsons das AGIL-Schema in späteren Arbeiten auch auf soziale Systeme.

Nach Talcott Parsons muss jedes existierende oder denkbare System vier Funktionen erfüllen, um seine Existenz erhalten zu können:

Adaptation (Anpassung): Fähigkeit eines Systems, auf die sich verändernden äußeren Bedingungen zu reagieren, sich anzupassen.

Goal Attainment (Zielverfolgung): Fähigkeit eines Systems, Ziele zu definieren und zu verfolgen.

Integration (Eingliederung): Fähigkeit eines Systems, Kohäsion (Zusammenhalt) und Inklusion (Einschluss) herzustellen und abzusichern.

Latency bzw. Latent Pattern Maintenance (Aufrechterhaltung): Fähigkeit eines Systems, grundlegende Strukturen und Wertmuster aufrechtzuerhalten.

Reference